Ringelnatz auf dem Wannsee

Foto: Horst Krapohl

Es rauscht wie Freiheit. Es riecht wie Welt. –
Natur gewordene Planken
Sind Segelschiffe. – Ihr Anblick erhellt
Und weitet unsre Gedanken.
(Aus: Joachim Ringelnatz: Segelschiffe)

Die größte Berliner Yardstick-Wettfahrt mit Kultcharakter ist die Ringelnatz-Regatta auf dem Wannsee. Die nach dem früheren Seemann und späteren Dichter und Kabarettisten Joachim Ringelnatz benannte Wettfahrt, bei der die Teilnehmer eine Flagge mit seinem Konterfei am Achterstag führen und bei der vor der Preisverleihung seine Gedichte vorgetragen werden, wird stets am Tag der deutschen Einheit (3. Oktober) vom Potsdamer Yacht Club durchgeführt. Die immer mindestens 80 teilnehmenden Kielboote und Jollenkreuzer treten in Vereinsteams zu je drei Booten an.

Leider waren wir dieses Jahr mit unserem H-Boot wieder das einzige Schiff vom PSB, so dass es nur für die Einzel-, nicht aber die Vereinswertung reichte. Aber dafür traten für eine Yardstick-Wettfahrt die Rekordzahl von 13 H-Booten an, was sonst allenfalls bei Ranglistenregatten der Fall ist.

Bei vier Windstärken aus West starteten wir in der zweiten Gruppe vor dem Strandbad und mussten zunächst nach Kladow kreuzen. Wir entschieden uns für die halblinke Seite der Startlinie und auch halblinks für Kreuz. Wir kamen gut mit freiem Wind weg, erwischten Dreher und Windkanten optimal und rundeten zu unserer Freude gleich als erste die Luvtonne. Unter Spinnaker ging es Richtung Lindwerder. Die Boote hinter uns verhakten sich in Luvkämpfen, so dass wir unsere Führung ausbauen konnten. Nur eine bei diesem Wind ohnehin schnellere Dyas überholte uns auf der nächsten Kreuz. Später betrug unser Vorsprung zum zweiten H-Boot 300 Meter, was uneinholbar sein müsste.

Doch auf dem nächsten Spikurs Richtung Lindwerder fuhren wir zu nah unter Land, weil wir uns von einem langsam gesegelten Boot aus der zehn Minuten vor uns gestarteten Gruppe freihalten wollten. Wir blieben in einem Windloch hängen, die Konkurrenz holte auf. Das Glück schien uns zu verlassen und das zweite H-Boot stets etwas mehr Wind zu haben, jedenfalls kam es immer näher. Als es auf die Zielkreuz ging, was der Zweite nur noch ganz knapp hinter uns. Jetzt galt es fehlerlos zu segeln und konsequent zu verteidigen. Das gelang zunächst auch. Die Wannseefähre, der wir alle ausweichen mussten, sorgte zwar für Chaos, doch auch da hatten wir noch knapp die Nase vorn.

Dann versuchte der Zweite, dessen Fock nicht so ausgelutscht war wie unsere alte, den Durchbruch in Lee. Statt auf Geschwindigkeit zu fahren und den Durchbruch zu verhindern oder wenigstens rauszuzögern, fuhr ich auf in der Hoffnung auf ein anderes Windfeld. Es folgte ein lautes Schimpfen meiner mitsegelnden Tochter (14) ob dieser taktischen (Fehl-)Entscheidung. Erst habe ich mich ihr gegenüber noch zu verteidigen versucht, doch als dann der Wind zu unseren Ungunsten drehte und das andere Boot kurz vor dem Ziel vor uns wendete und nach knapp drei Stunden Wettfahrt ganze sieben Sekunden vor uns die Linie passierte, war mein Fehler unentschuldbar. Dumm gelaufen.

Insgesamt gewonnen hat ein 20er Jollenkreuzer vor der Dyas, dann kam das andere H-Boot und danach wir. Ein 4. Platz von 84 ist ja eigentlich sehr gut. Aber einen Vorsprung von 300 Metern nicht zu halten? Vielleicht lag es ja auch den Bootsnamen. Das schnelle H-Boot heißt „Ruckzuck“, unser Boot „haschmich“. Was Ringelnatz dazu wohl gedichtet hätte? Sven Hansen