“Alte Liebe, zwo”

1964.

Ich wohnte mit meinem Freund W. in einer Wohngemeinschaft am Kaiserdamm. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite gab es ebenfalls eine Wohngemeinschaft, jedoch schon fortschrittlicher aufgestellt.

Da gab es Zigaretten mit seltsam befreienden Inhaltsstoffen, große Flaschen mit Lambrusco, das sollte Rotwein sein. Der uns bekannte E. wollte Berlin verlassen, und erwähnte ein Segelboot, dass er verkaufen würde.

Aufgewachsen bin ich in Husum / Nordsee und durfte durch einen Schulfreund den Husumer Segelverein kennenlernen und auch mal auf einem Jollenkreuzer mitsegeln. Das hat mir gefallen, jedoch weniger der
militärische Ton, der dort herrschte.

So aber war das Interesse an dem zu verkaufenden Boot geweckt und wir fuhren mit E. mit der BVG zum Stößensee. Das “Bootshaus” , ein ehemaliger Hamburger Alsterdampfer, wie ich später wußte, diente als Bootshaus, Büro und Kneipe zugleich, mit Namen ” Alte Liebe ”

Nun standen wir vor einem ca. 5 m langen Segelboot aus Holz, schon ein bißchen älter, mit abblätterndem Lack. Aber doch beindruckend und das Wasser im Boot gehörte wohl dazu.

E. wollte 100 DM und versprach uns, das Segeln beizubringen. Wir einigten und gingen zur “Alten Liebe” zu Frau R., ihr gehörte der Laden.

Was wir bei diesem Erstbesuch nur flüchtig mitbekamen, Frau R. hatte zwei hübsche Töchter, nach unser Aufassung im passenden Alter, die eine in der Küche, die andere als Kellnerin.

E. hat uns wohl zwei oder dreimal das Segeln gezeigt und dann verließ er uns nach Westdeutschland.

Das Boot war gaffelgetakelt.

Das man beim Segelbergen das Piekfall in der Hand behalten muss und nicht losschmeißt, war mir wohl entgangen. Jedenfalls beim ersten Segelbergen kam der Gaffelbaum, mit der Nock nach unten zeigend ins Cockpit und peng, zerbrach er.

Aber Frau R. wies auf einen Schuppen, da sollten wir mal suchen und fanden tatsächlich einen passenden Gaffelbaum.

Das Großsegel, Leinen, war auch alt und mürbe, wir wollten ein Neues. Entweder aus Leinen, das gab es damals noch oder Kunststoff, das war jedoch deutlich teurer.

So bestellten wir bei einem Segelmacher in Tegel ein neues Baumwoll-Groß. Nach Fertigstellung erhielten wir es, fein säuberlich zusammengelegt, mit einem aufregenden Geruch.

Mit dem neuen Segel kamen wir dann doch ganz gut voran, mit den erwähnten schönen Töchtern leider überhaupt nicht. Selbst mein Freund W., eine etwas kleinere Ausgabe von James Dean, blieb glücklos.

Zwei oder drei Sommer waren wir fröhliche Segler, Schultheiss verhalf uns zu einer lockeren Segelauffassung, ohne Segelschein. Die Pflege eines Holzbootes blieb uns jedoch verschlossen, sodaß wir es dann doch an einen Holzkundigen verschenkt haben.

Aber der Bazillus Segeln hatte sich bei mir eingenistet.

Hält sich bis heute !

Ende

Heinz Bartels