Es klang verlockend: Zwölf Tage Regattasegeln am malerischen Traunsee in Oberösterreich. Am Fuße der Alpen, mit 1.600 Meter hohen Bergen, die direkt am See im Salzkammergut in den Himmel aufsteigen, am Horizont das schneebedeckte Dachssteingebirge. Die Veranstalter vom Segelclub Ebensee versprachen Wind und haben Erfahrung. Schließlich hatten sie schon zweimal eine H-Boot-WM durchgeführt. Und dann war unser Boot „haschmich“ 1983 auch noch genau an diesem See gebaut worden, von der damals besten Werft dieses Bootstyps. Ein gutes Omen?
Direkt vor der Weltmeisterschaft Ende Mai wurde am anderen Ende des Traunsees in Altmünster die Österreichische Staatsmeisterschaft gesegelt. Das Doppelpack rechtfertigte für uns den Aufwand der langen Anreise und weckte für uns Journalistencrew (Sven Hansen, taz; Kai Müller, Tagesspiegel; Kyaw Soe, freier Videojournalist, ehem. Democratic Voice of Burma) die Hoffnung, mal etwas Abstand von den Katastrophen dieser Welt zu bekommen. Bei der ÖStM hatten 30 Boote gemeldet, von denen viele Auswärtige wie wir den See für die WM kennenlernen wollten.
Doch stellten wir bald fest, dass sich die Windsysteme an den Enden des Sees stark unterscheiden. Sie haben ihrer eigene Thermik, geprägt vom jeweiligen Ober- und Niederwind, also dem Wind über den Bergen und dem aus den Tälern. Während wir in Altmünster bei der nationalen Meisterschaft drei Tage vergeblich auf Wind warteten, soll am anderen Ende in Ebensee gelegentlich Wind gewesen sein.
Erst am vierten und letzten Tag gab es die erste Wettfahrt. Drohte der Wind zunächst einzuschlafen, legte er nach einem heftigen Dreher wieder zu und erreichte sogar bis zu vier Windstärken. Dazu kam heftiger Regen und Kälte. Doch so wurden am letzten Tag noch vier Wettfahrten gesegelt. Wir wurden insgesamt 12., womit wir zufrieden waren. Hätten wir nicht in der letzten Wettfahrt noch einen Strafkringel drehen müssen, weil wir mit dem Großbaum die Tonne berührt hatten, wäre noch mehr drin gewesen.
Als der Wettfahrtleiter uns mit guten Wünschen für die WM entließ, konnte er sich den süffisanten Hinweis nicht verkneifen, dass für die nächsten Woche ganz ähnliche Flautenbedingungen drohten. So kam es dann auch: Zunächst fiel das Practice Race aus, auch am ersten Tag gab es für die Rekordzahl von 69 zum Teil extrem hochkarätigen Teams aus neun Nationen keine einzige Wettfahrt.
Startverschiebungen, stundenlanges Warten an Land und auf dem Wasser, dann Massenfehlstarts, permanente Winddreher und Abbrüche sollten die ganze WM prägen. Mir fiel es zunächst schwer, unser Boot im Gedränge am Start und an den Tonnen zu behaupten. Waren wir nicht mindestens 2 Minuten vor dem Start an der Linie, kamen wir an diese oft gar an die nicht mehr ran. Es gab kaum noch Lücken. Auch war bei so vielen Booten die Abdeckung enorm. Beim Unterwenden an der Luvtonne war die Gefahr des Hängenbleibens groß. Einmal verloren wir dabei 20 Plätze. Auch am Leegate, wenn ein Dutzend Boote zugleich passieren wollte, war das mehrsprachige Gebrüll groß.
Zwar wurden meine Starts besser, doch nützte es wenig. Denn meist wurde kurz danach abgebrochen oder gab es einen allgemeinen Rückruf. Die Black Flag schien kaum zu helfen. Ärgerlich war, bei guten Starts alles wiederholen zu müssen, um dann beim letztlich gültigen Start von einem anderen Boot, das die Luv-vor-Lee-Regel dreist ignorierte, abgeklemmt und ausgebremst zu werden. Da nützte die Protestverhandlung mit ihrer klaren Entscheidung außer im pädagogischen Sinn auch nicht mehr.
Um angesichts der tagelangen Flaute überhaupt Wettfahrten zustande zu bekommen, ließ uns der Wettfahrtleiter auch um sieben Uhr morgens starten, als es manchmal eine thermische Brise gab. Also um 5 Uhr Aufstehen, 5.45 Uhr Sammeln vor dem Hafen zum Schlepp. Trotzdem hatten wir am Ende des letzten regulären Tages erst vier Wettfahrten zusammen. Für eine WM braucht es fünf. Deshalb gab es am Reservetag erneut einen Start um 7 Uhr. Wir kamen wieder mit freiem Wind und Speed optimal beim Signal über die Linie. Doch wieder allgemeiner Rückruf.
Es folgte ein 90-Grad-Dreher, bevor der Wind einschlief. Um 8.30 waren alle zurück in den Hafen geschleppt worden. „Um fünf Uhr Aufstehen, nur für einen einzigen Frühstart?,“ lautete Kais enttäuschter Kommentar. Wie für viele andere war damit auch für uns die WM beendet. Denn aus beruflichen Gründen mussten wir spätestens um Mitternacht zurück in Berlin sein.
Mastlegen, kranen, einpacken, Zelt abbauen. Als wir um 11.30 Uhr aus Ebensee abfuhren, regte sich – wie schon gelegentlich am Vormittag – ein laues Lüftchen. In Berlin angekommen staunten wir, dass an diesem Tag die Thermik doch noch funktioniert hatte und es bis zur letzten Startmöglichkeit um 15 Uhr noch drei Wettfahrten gab. Dabei war nur noch die Hälfte aller Teams gestartet.
Wir hatten uns einen Platz in der ersten Hälfte erhofft. Und wenigsten ein Rennen hätte ich gern unter die ersten ersten zehn gesteuert. Einmal lagen wir auf dem dritten Platz, als abgebrochen wurde. Als wir vom Traunsee abfuhren, waren wir noch 36., in Berlin angekommen nur noch 48. Manche, die am Morgen noch hinter uns gelegen hatten, kamen noch unter die ersten 20. Weltmeister wurde bereits zum zweiten Mal das Team von Flavio Favini. Der italienische Profisegler steuerte im America’s Cup Steuermann und war Weltmeister in zwei Melges-Klassen sowie Champions League Sieger in der J70.
Zweiter wurde das Team von Claus Høj Jensen. Der dänische Segelmacher, Sohn eines zweifachen Olympiasiegers, war bereits 10 Mal H-Boot-Weltmeister und 13 Mal dänischer Meister. Jeden Morgen schickte er seinen Vorschoter in das 13 Grad kalte Wasser, um das Unterwasserschiff zu putzen. Die Überraschung war die bayerische Youngster-Crew um Finn Kenter auf dem Bronzeplatz. Der 24-jährige frühere 420er Segler, der auch ein Bundesligateam steuert, schaffte mit dem elterlichen H-Boot, das viel älter ist als er selbst, zwei Einzelsiege.
Wir hatten abgesehen von der Kälte und etwas Nässe im Zelt trotzdem eine gute Zeit. Mit dem Speed unseres alten Bootes waren wir zufrieden. Wir haben viel gelernt, neue Kontakte geknüpft und Kyaw Soe hat erstmals die Alpen gesehen. Einen Nachmittag reichte sogar für eine Gondelfahrt auf den Feuerkogel.
Die ganze Zeit tat mit der Wettfahrtleiter leid, der ja wie wir für die WM Urlaub genommen hatte. Das galt auch für die ehrenamtlichen Organisatoren und Helfer. Die gaben sich viel Mühe und blieben trotz der Umstände den 250 Seglern gegenüber stets entspannt und freundlich. Für das Wetter kann niemand etwas. Bei der WM der Shark 24 direkt vorher in Altmünster hatte es sich noch von der besten Seite gezeigt. Sven Hansen
Ein weiterer Text des Autors ist im Float-Magazin erschienen.