Schon unzählige Male stand ich am Ufer der Flensburger Förde, den Blick auf die Dänische Küste gerichtet. Wie sehr wünschte ich mir auf einem der kleinen Boote das Wasser der dänischen Südsee zu durchkreuzen. Im Herbst 2024 dann die Entscheidung, jetzt oder nie! Ein eigenes Schiff für die Ostsee muss her. Eines mit Radsteuerung, Einbaumaschine und Achterkajüte. Aber nur gerade so groß, dass es mit einer kleinen Crew gut zu handhaben ist.
Die Wahl fiel schnell auf eine Hallberg Rassy 36 MK l, noch schneller war ein solches Schiff gefunden und gekauft. Baujahr 1993, nicht mehr ganz frisch, da haben Skipper und Boot etwas gemeinsam. Aber das Alter ist ihr kaum an zu sehen. Dann kam das lange Warten auf die neue Segelsaison. Ende April war es dann endlich so weit. Mit meinem Sohn Andrew und unserer Hündin Nikki fahren wir bepackt mit neuer Ausrüstung nach Kappeln, dem Heimathafen unserer neuen, alten Lady.
Was für ein Gefühl das erste Mal an Bord zu gehen! Gut sieht sie aus, frisch poliert, mit neuer Technik und custom made Plotterhalterung an der Steuersäule. Doch bevor an den ersten Törn zu denken ist, heißt es erst einmal auf- und umräumen. Drei Tage harte Arbeit liegen vor uns. Jedes Schap räumen wir aus, unzählige, aus unserer Sicht unnötige Gegenstände aus 30 Jahren Bootsgeschichte werden entsorgt. Langsam kommen wir dem Ziel einer ersten Fahrt in die dänische Südsee näher. Eine letzte Vorbereitung fehlt noch, die Kalibrierungsfahrt für die neue Bordelektronik. Alles funktioniert perfekt. Es kann los gehen. Wasser bunkern, Lebensmittel verstauen und dann heißt es am Morgen des 30. April das erst Mal „Leinen los und ein“ für unseren ersten Törn.
Etwas wichtiges fehlt noch! Unsere Lady trägt noch den Namen „Lagom“, aber die soll umgetauft werden. Aber moment, so einfach geht das nicht. Einfach so umtaufen, das bringt doch Unglück. Mit dem Namen eines Schiffes ist die Macoui verbunden, eine Seeschlange die jedes Schiff und sein Schicksal bestimmt. Wie wird man die Macoui los? Natürlich darf ein ordentlicher Schluck Alkohol nicht fehlen. Die Macoui muss betrunken gemacht werden. Man gieße also reichlich hochprozentiges, in unserem Falle eine halbe Flasche Sherry, ins Kielwasser dann kreuze man sein eigenes Kielwasser drei mal um dabei die Macoui vom Schiffsrumpf ab zu schneiden und zu töten. Es ist geschafft. Noch ein Schluck für Rasmus und einen ordentlichen für die Crew und unsere Lady ist bereit auf ihren neuen Namen „Southern Cross“ getauft zu werden. Der ist schon am Rumpf angebracht.
Eigentlich fehlt nun die Taufe, aber in Ermangelung weiblicher Wesen an Bord, an eine Jungfrau gar nicht zu denken, muss die Taufe noch auf sich warten lassen. Bis dahin wird Rasmus vor jeder Fahrt mit der doppelten Ration Sherry besänftigt. Schließlich soll es uns ja nicht wie der Titanic gehen, bei der die Taufe aus Zeitmangel weggelassen wurde. Wie das geendet ist, ist wohl jedem bekannt.
Nachdem wir die Zeremonie also abgeschlossen haben, nehmen wir Kurs auf Schleimünde. Ein sonniger Tag mit mäßigem Wind, genau das Richtige für eine erste Fahrt. Wir passieren das grüne Leuchtfeuer am Ende der Schlei und wenig später setzen wir die Segel. Ein wenig Anspannung begleitet mich. Wird das mit der Rollgroßanlage funktionieren? Da segelt man nun schon fast sein ganzes Leben, aber hier ist alles anders und für mich vieles komplett neu. Am Ende war die ganze Aufregung unbegründet.
Im Nu ist das Groß ausgerollt. Silbrig schimmert das Laminat in der Sonne. Noch schnell die Rollgenua ausgerollt, die Position in die Karte eingetragen und den Kurs nach Marstal gesteckt. Trotz mageren 7 Knoten Wind fährt die Southern Cross mit 3 bis 4 Knoten dem Ziel entgegen.
Ein wirklich gutes Gefühl. Schnell wird klar, es war genau die richtige Entscheidung zum absolut richtigen Zeitpunkt. Den Blick über die Außenförde schweifend, genieße ich den Moment, ein unbeschreiblicher Moment des Glücks, den ich so bisher nur selten und nur in ganz besonderen Situationen verspürt habe.
Niemand der nicht schon einmal mit seinem eigenen Boot zum ersten Mal in See gestochen ist, wird es nachempfinden können. Und auch wenn das heutige Ziel nur ein Katzensprung nach Dänemark ist, es ist der Anfang einer neuen, spannenden Zeit. Der Beginn einer Abenteuerreise in Etappen, ohne festen Plan, ohne festes Ziel, auf der Suche nach Stille, Einsamkeit und Glück und noch ganz viel Meer. Mark Dreyer